Mache Dinge brauchen einfach ihre Zeit. Trotz der gerade wieder eingebauten Winterblech gönnt sich der Lycoming ein paar zusätzliche Minuten, bis er auf Betriebstemperatur kommt. Aber dann ist es so weit. Alle Hebel stehen vorne, Ladedruck und Drehzahl passen zueinander. Rudi zupft einmal am Höhenruder und die D-EBIF wechselt in ihr wahres Element. Dabei könnte sie viel mehr als sie jetzt darf, denn der Lärmschutz steht an oberster Stelle.
An sich wären wir jetzt auf dem Weg nach Sármellék, dem südlichsten Ende des Plattensees. Dort befindet sich einzige Thermalsee in Europa, der auch im Winter mit whirlpoolartigen Temperaturen tiefgekühlte Touristen aus ganz Europa anzieht. Die über den Tag immer weiter abgesunkene Wolkenuntergrenze verbietet aber eine Ankunft bei Dunkelheit. Aus dem umfangreichen Repertoire von Extended Weekend Destinations ziehen wir als Alternative Prag. Prag bietet den Vorteil kurzer Wege und somit die Gewissheit, in spätestens zwei Stunden in das Wochenende starten zu können. Während Rudi gerade auf den Parkplatz fährt, hat Sabine die Maschine bereits startklar gemacht. Parallel dazu muss der alte Flugplan gecancelt und der neue noch ins System geschossen werden. Leider zickt gerade das DFS Portal und der AISler hat über die Jahre auch schon etwas an Übung in der Annahme telefonischer Flugpläne verloren. Aber irgendwann ist es dann geschafft und es geht los.
Routing
Das GNS ist schnell programmiert. Für die Strecke reichen uns zwei Waypoints, um als Overlay zu den Tablets zu fungieren. Die NOTAMs für Enroute und Destination werden überflogen, die Fuel Calculation noch mal aktualisiert. Wir erwarten mit 40kts von hinten eine Flugzeit von einer Stunde und fünfzehn Minuten. Für die junggebliebene Arrow eine Kurzstrecke.
Wir sind wie immer komplett papierlos unterwegs. Neben dem GNS für´s Grobe sind Skydemon und JeppView im Einsatz. Die Route führt westlich vorbei an München direkt nach LULAR (Furth im Wald) und ELPON, einem Waypoint der direkt neben dem erwarteten Einflugpunkt ROMEO in die TMA des Militärflugplatzes Kbely sitzt.
17.57 Uhr
Unser Ziel ist der Prager Flughafen Letnany, der im Osten der Stadt liegt. Dieser Flugplatz leistet sich eine Besonderheit, für die es heutzutage sicher keine Betriebsgenehmigung mehr geben dürfte: Letnany ist ein Stadtflughafen. Er liegt nämlich mitten in der Stadt. Gut, nicht so spektakulär wie London City. Aber immerhin mit eigenem Busbahnhof und direkter Metroanbindung, die einen in 20 Minuten zum Wenzelsplatz bringt. Leider schließt laut NOTAM (B2424/21) Letnany heute bereits um 17:57 Uhr Local Time. Eine telefonische Nachfrage dort bestätigt diese kuriose Zeit. Hintergrund ist anscheinend eine seltene Tierpopulation, die sich mit einem festen Meeting Schedule zu dieser Jahreszeit auf einen Sundowner dort trifft. Zeitlich kein Problem, wir werden gute 15 Minuten vorher dort laden. Trotzdem filen wir den keine 10 Meilen entfernten internationalen Airport Ruzyne als Alternate.
Direct ELPON
Rudi dreht die Maschine über den sich abzeichnenden ersten abendlichen Stau auf den Straßen unter uns nach Norden. Gleich nach dem passierten der München CTR geht es mit einem Direct zur LULAR Intersection, die den ersten Streckenabschnitt auf dem Flug nach Prag definiert. Mit einem Track von 180NM befinden wir uns für dieses Flugzeugmuster eher auf der Kurzstrecke. Skydemon hat für die Strecke bereits die optimale Flughöhe mit etwa 6.000ft errechnet, die uns eine Groundspeed von bis zu 170kts verspricht. Mit dem Passieren von LULAR ist bereits die Grenze nach Tschechien überflogen und wir wechseln auf die bereits im Standby vorgewählte Frequenz von Prag Information. „Prag Information dobrý den, D-EBIF, leaving LULAR, 6000ft, inbound ELPON. Prag bestätigt den Radarkontakt, der Flugplan liegt bereits vor. Rudi rastet den Autopiloten auf Heading Mode und lässt sich vom GNS einen direkten Kurs nach ELPON empfehlen, der aufgrund der Luftraumstruktur in höchstens 2000ft gebührenfrei erreicht werden sollte. Der Sinkflugrechner des GNS wird programmiert und optimiert damit den Sinkflug nach ELPON, der in guten 70 Meilen beginnt. Genug Zeit, den Anflug auf Letnany noch einmal in Ruhe zu briefen.
Zwei auf einen Streich
Letnany ist in vielerlei Hinsicht etwas besonders. Für den Einflug bedarf es einer Freigabe durch Kbely, einem aktiven Militärflugplatz, dessen Schwelle man in Steinwurfweite überfliegt. Während man unter der Woche per Radarvektoren durch das fröhliche Treiben von militärischen Spritschleudern geführt wird, beschränkt sich die Freigabe am Wochenende auf das Einhalten einer exakten Flughöhe. Dies ist zum einen deswegen notwendig, weil direkt darüber der Anflug nach Prag läuft und das TCAS eines Airliners sehr sensibel auf vertikale Trendvektoren reagiert. Zum anderen liegen in unmittelbarer Nähe noch weitere kleine Flugplätze, die auch alle ein Stück vom Luftraum abhaben wollen. Kbley Tower übernimmt uns und weist uns an, das Passieren der Schwelle der militärischen Landebahn zu reporten. Gut vorbereitet ist der, der schon jetzt die Platzfrequenz von Letnany im Standby gerastet hat. Viel Zeit zum Eindrehen der Platzfrequenz verbleibt nämlich nicht, da die Platzrunde eine gute halbe Meile hinter dem Flugplatz Kbely beginnt. Damit wir uns aber auch schon hier auf einen entspannten Abend freuen kann, wird man vom militärischen Lotsen bereits bestens für den Anflug auf Letnany gebriefed. „D-EBIF RWY23 at Letnany in use, right hand circuit, maintain 2.000ft until extended runway centerline of Kbley, report crossing and advise desired runway on initial contact.“ Was für ein Service. Übrigens sind die 2.000ft nur die Obergrenze. Niedriger geht immer, sofern nicht gerade opposite traffic auf dem Weg ist. Auch wenn es sicherheitstechnisch keine Empfehlung sein darf, macht es schon verdammt viel Spaß, am Rand der Hochhäuser auf oberster Balkonhöhe vorbeizufliegen. Selbstverständlich mit lärmreduzierter Drehzahl und ATC Clearance.
Nach kurzer Zeit kommt die Asphaltbahn des großen Militärplatzes in Sicht. Nicht wenige haben diese dank der nahezu identischen Ausrichtung mit Letnany verwechselt und sich dann über den unbefriedigenden Komfort nach der Landung gewundert. Letnany ist indes tatsächlich schwer zu erkennen, trotz der beiden knapp 900 Meter langen parallelen Landebahnen. Welche man sich davon aussucht, hängt in erster Linie von der Robustheit des Fahrwerks ab und von dem Spaßfaktor, den man sich gönnen möchte. Nachdem die nördlichere Bahn mittels Laser vermessen und somit auch für teures turbinengetriebenes Gerät zugelassen ist, entspricht die südlichere Alternative eher einer klassischen Grasbahn, bei der die Naturbelassenheit das oberste Gebot ist. Anhand des Flugzeugtyps werden die Flugzeuge bereits im Anflug vorsortiert. Das ist aber nicht bindend und kann vom Piloten jederzeit geändert werden. Allerdings ist das Verkehrsaufkommen gerade im Sommer so hoch, dass die Bahn nach den tatsächlichen Anforderungen ausgewählt werden sollte. Ein guter Grund sind allerdings die im Flugzeug eingebauten Kreisel, die durch Erschütterungen deutlich stärker belastet werden und somit teure Reparaturen nach sich ziehen. „Letnany Tower, D-EBIF, request RWY23R, descening 1.900ft“. Damit ist alles gesagt und es beginnt die Suche nach dem Flugplatz. Wer noch nie hier war, kann sich mittels Google Earth seinen Flug von ROMEO nach Letnany schon einmal in der Simulation anschauen. Wer schon mal da war, findet den Flugplatz in der Regel aber genauso wenig. Das liegt einfach daran, dass es in Deutschland völlig undenkbar wäre, in gefühlter Rufweite zwei Flugplätze so dicht aneinander zu bauen und das Auge auf der Suche nach zwei parallelen Landebahnen irgendwie auf etwas größeres aus ist.
Von Vorteil ist bei solchen Anflügen, soviel wie möglich der Workload im Vorfeld zu erledigen, um dann den eigentlichen Anflug genießen zu können. Und der hat wirklich einiges zu bieten. Während über einem die Airliner kommen und gehen, läuft unter uns der Werksverkehr zum nördlich gelegenen Flugplatz Vodochody durch. Das es auch noch tiefer geht, zeigen einem die Helikopter von Kbely, die sich aber brav am Straßenverlauf der E55 Bundesstraße orientieren und damit nicht wirklich stören.
Finale
Während Rudi die Maschine schon kurz vor Kbley in Landekonfiguration gebracht hat, werden jetzt die Approach Plates auf die Displays geladen. Erstaunlicherweise findet sich die Platzrunde für Letnany nämlich nicht mal auf den offiziellen Anflugkarten Tschechiens wieder, jedoch bei Jeppesen. Wer die nicht hat, kommt aber auch runter. Im Prinzip geht es vor allem darum, keine der unmittelbar angrenzenden Lufträume zu verbeulen und die Menschen da unten nicht über Gebühr zu strapazieren. Letnany bietet dazu auf seiner Homepage (https://www.letnany-airport.cz/) ein hervorragendes Briefing an, von dem sich manch anderer Flugplatz gleich zwei Scheiben abschneiden könnte.
Die Landung ist unspektakulär, vor allem, weil sie erstmal nicht stattfindet. Die unmittelbar über dem Horizont stehende Sonne macht es völlig unmöglich, irgendwas zu erkennen. Die Entscheidung zum Go Around wird uns vorweggenommen, weil sich irgendwelche Tiere (Anmerkung: es waren nicht die aus dem NOTAM) auf der Landebahn nicht mit den Betriebszeiten ausreichend vertraut gemacht haben. Während wir nicht mal beim Go Around den Flugplatz sehen können, übernimmt ein Flughafenfahrzeug die Auflösung der nicht genehmigten Versammlung. Für den zweiten Anflug haben wir uns die verlängerte Landebahngrundlinie über den OBS Mode ins Cockpit geholt, damit das Eindrehen in den Endanflug auf Anhieb passt. Pünktlich um 17:57 Uhr und mit der mittlerweile bereits untergegangen Sonne setzt das Fahrwerk sanft auf der 23R auf. Perfektes Timing. Hätte das zeitlich nicht geklappt, wäre das auch kein Beinbruch gewesen. Ein kurzer Wechsel zum Approach Lotsen, ein Direct auf RWY24 von Ruzyne einholen, noch kurz für 5 Minuten das Gas stehen lassen, lösen auch dieses Problem. Natürlich ist das teurer als Letnany, aber eine problemlose Alternative. So gut wie die Landebahn ist, so schlecht sind die Rollwege. Was möglicherweise auch daran liegt, dass man sie vergessen hat. Idealerweise folgt man dabei Flugzeugen mit einheimischer Kennung oder achtet sorgsam auf unfreiwillige Nickmomente fremder Propeller, die einem schon mal sagen, wo es nicht langgeht. Die Bodenfreiheit der Piper ist zwar nicht schlecht, rangiert aber im Vergleich mit den mit den tschechischen SUV-Flugzeugen eher in der Kategorie eines Opel Mantas.
Nach der Landung bricht dann doch etwas Hektik aus, weil sich die Dunkelheit nun vollständig über den Platz zu senken droht. Wer dann nicht weiß, wie er vom Acker kommt, hat einen langweiligen Abend vor sich. Der Ausgang liegt in Form einer soliden Metalltüre etwas versteckt am Rande des Flugfeldes und ist einem Zahlencode gesichert. Eine klassische Fluchttüre also, bei der man die flüchtenden gut daran erkennt, dass sie den Zahlencode nicht kennen. Uns wird aber geholfen und nur eine Minute später verlassen wir den Flughafen über das Gate 1 in Richtung der Metro, die einen kurzen Fußmarsch entfernt ist. Wer zum ersten Mal in Prag ist und die Ankunft im sichtbaren Lichtspektrum geplant hat, kann mit einer Kombination aus Bus und Straßenbahn einen ersten Eindruck von der Metropole erleben.
Tief unter der Erde
Deutlich schneller geht es mit der Metro, die einen auf eine kleine Zeitreise durch die unterschiedlichen Baustile der seit den 70er Jahren bestehenden Stationen mitnimmt. Die eingesparte Zeit braucht man in Teilen dann doch noch, um aus dem zweittiefsten Metronetz der EU wieder an das Tageslicht zu kommen.
Der öffentliche Nahverkehr ist in Prag perfekt organisiert. Die Taktung sprengt die Vorstellungskraft jeder grünen Regierung und orientiert sich an der Approach Sequenz von PMI zur Hochsaison. Arbeitsplätze werden allenfalls bei dem dazugehörigen Tarifsystem vernichtet, weil man einfach keine Beratung dazu braucht. Ein 24 Stunden Ticket kostet nur unwesentlich mehr als eine befristete Fahrkarte. Alles was nicht älter als 15 Jahre alt ist, muss umsonst fahren. Bezahlt werden kann mit allem was es gibt und wo und wann man es gerade braucht. So ist einfach.
Book and Talk
Ist man so weit ausgerüstet, geht es zum Hotel. Prag ist preiswert, aber nicht billig. Es empfiehlt sich immer, die Unterkunft bereits im Vorfeld zu buchen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Gerade wenn es größere Veranstaltungen, Kongresse oder Messen gibt, glaubt man eher ein Immobilienangebot vor sich zu haben als ein Hotelzimmer. Idealerweise hat man eine stornierbare Unterkunft gewählt und fragt vor dem Ablauf der Stornofrist noch mal nach einer „final offer“. Sofern genug Bettenkapazitäten vorhanden sind, hat man damit oftmals bei den Herbergen im oberen Preissegment gute Chancen. Nachdem wir für dieses Wochenende eher komfortorientiert aufgelegt sind, buchen wir uns in den Andels Vienna Suites im Südwesten der Stadt ein. Das Hotel liegt völlig ruhig aber dennoch nur wenige Minuten neben der Metro.
Zusätzlich ist hier eines der Drehkreuze für die Straßenbahn, die von hier alle wichtigen Ziele ansteuert. Eine in unmittelbarer Nähe liegende Shopping Mall hat auch am Sonntag noch geöffnet und erspart den Männern zwar keine zweckbefreiten Impulskäufe des anderen Geschlechts („Genau das wollte schon immer mal haben!“), aber zumindest die hoffnungslos überteuerten Preise von der Touristenmeile. Für rationale Abendaktivitäten sorgen die umliegenden Bistro`s und Bar´s, die zu sehr angenehmen Konditionen ausschließlich Waren zum sofortigen Verbrauch anbieten. Damit wird zwar nicht die Lücke zwischen dem Betriebsschluss der Hotelbar und dem biologischen Sonnenuntergang geschlossen, aber man hat es zumindest auch nicht weit bis zu seinem Zimmer.
Für unseren Aufenthalt von Freitagabend bis Sonntagmittag haben wir uns für das 2-tägige „Prag Renewal“ Programm entschieden. Immerhin liegt der letzte Besuch aus bekannten Gründen nun doch schon länger zurück und da ist es eine gute Gelegenheit, einige der früheren Highlights mal wieder aufzufrischen.
Die Klassiker
Mit der Straßenbahn geht es in knapp 15 Minuten direkt an die Karlsbrücke, die trotz der herbstlich frischen Temperaturen und Dunkelheit noch von Straßenkünstlern mit Leben gefüllt wird. Der nächtliche Blick auf die in einem Meer aus Lichtern residierende Prager Burg, ist immer wieder aufs Neue beeindruckend und spricht gegen die Theorie, dass die ihren überzähligen Atomstrom uns verkaufen würden.
Über die Karlsbrücke geht es in Richtung der Touristenschwemme U`Fleku. Obwohl das eine gelungene Kombination aus miesem Service, lieblosem Essen und grausamer Live-Musik ist, hat diese in jedem Reiseführer als „must have“ enthaltene Location eine gewisse Magie. Was tatsächlich aber dort wirklich „Kult“ ist, ist das das hier gebraute dunkle Bier. Das ist preiswert und schon Grund genug, doch mal wieder vorbeizuschauen. Am Ende bremst uns aber der dann doch sehr lockere Umgang mit der aktuellen Situation davor aus, in die Innenräume vorzudringen. Wir entscheiden uns für etwas landestypischeres und sitzen fünf Minuten später in einem ruhigen und deutlich gemütlicheren Restaurant. Nachdem unsere Tochter mir glaubhaft versichert hat, dass der Riesenburger auf der Karte definitiv etwas landestypisches wäre, gebe ich mich offen für etwas Neues. Wir bestellen gleich zwei, um die Serienqualität zu überprüfen.
Der weitere Abend gehört Oscar. Leider hat Oscar aber nicht mitbekommen, dass wir wieder in der Stadt sind und hat deswegen um 22 Uhr alles in Dunkelheit versinken lassen. Gut, unser Fehler. Morgen kommen wir früher.
Der nächste Tag startet mit dem Ausflug auf den Petrin Hügel, der für Fußfaule auch durch eine Standseilbahn erreicht werden kann. Zur Sicherung der Arbeitsplätze des Seilbahnpersonals entscheiden sich Stephanie und Sabine für den im 24-Stunden Ticket inkludierten Transfer nach oben, während Rudi das ganze sportlich nimmt. Oben auf dem Hügel dominiert der Petri Turm, der wie eine zu heiß gewaschene Produktfälschung des Eiffel Turmes aussieht. Auch diesen kann man zu Fuß erklimmen. Das Erfolgserlebnis stellt sich hier jedoch deutlich schneller ein, weil der einfach fünfmal kleiner ist. Durch den geschickten Einsatz eines Weitwinkel Objektivs wird das Türmchen aber zum Turm und damit die per WhatsApp verschickten Bilder auch entsprechend gewürdigt.
Über einen sehr schön gepflegten Weg geht es leicht abfallend durch eine Parkanlage in Richtung der Prager Burg. Leicht versteckt und erhöht ist ein kleines Grundstück, für den normalen Fußgänger eher unauffällig. Dort steht hinter fünf Reihen Nato-Stacheldraht und einem Elektrozaun ein unscheinbares Trafohäuschen, dass über mehr Warnschilder verfügt, als eigentlich Strom drin sein könnte. Entweder es handelt sich um den Hauptschalter für die komplette nächtliche Beleuchtung Prags oder die haben es doch geschafft, den Flux Kompensator hier zu bauen.
Nach kurzer Zeit kommt man an der Klosteranlage und dem bekannten Kloster Stüberl vorbei, dass in sommerlichen Zeiten als Refueling Point dient. Mit einem Glühweinangebot hätte man aber auch heute zu einer Stärkung des Bruttosozialproduktes beitragen können. Der Wachwechsel auf der Prager Burg ist immer sehenswert, obwohl er seit Jahr und Tag gleich abläuft.
Unterhalb der Burg findet man die schmalste Straße von Prag. Natürlich wissen das auch alle anderen, deswegen ist taktisches Re-Positionieren einschließlich rechts überholen im Strom der unzähligen Reisegruppen ausdrücklich erlaubt. Bei den meisten ist an der roten Ampel am Eingang jedoch Schluss, die im wechselnden Einbahnstraßenprinzip den Durchgang regelt. Es kostet für Reisegruppen einfach zu viel Zeit, wenn sich da jeder einmal durchzwängen will und vor allem gut genährte Touristen es nicht mehr ohne hydraulische Unterstützung allein zurückschaffen. Wer mit Kindern unterwegs ist, findet in Prag viele richtig großartige und sehr gepflegte Spielplätze an zentralen Stellen, die auch älteren Semestern ob ihrer Kletteranlagen gefallen. Wer kein quengelndes Volk im Schlepptau hat, kann sich auch in eines der diversen und direkt in an der Moldau gelegenen Restaurants in eine Decke gehüllt an einen Heizstrahler ketten, auch wenn er nur etwas trinken will. Mit spitzer Feder darf hier nicht gerechnet werden, eine gute Lage hat eben überall ihren Preis.
Das Abendprogramm bedarf mittlerweile einer sorgfältigen Vorbereitung. Man merkt, dass wieder Leben eingekehrt ist. Wir hatten in der Vergangenheit ein sehr schön in einem Kellergewölbe gelegenes Restaurant, das aber bei dem letzten Hochwasser der Moldau leider nicht mehr rechtzeitig genug den Stöpsel ziehen konnte.
Rooms for Rent
Vorbei an mehreren Kamerateams die Prag als reale Filmkulisse für Drehorte der 40er Jahre immer wieder neu entdecken, geht es in Richtung des „tanzenden Hauses“. Die Idee zu diesem Haus wurde von der Tanzkunst eines gefeierten Filmpaars inspiriert und 1996 erfolgreich als Stilbruch der umliegenden perfekt restaurierten Fassaden realisiert. Weil vermutlich alle bisherigen Mietverhältnisse von nicht dauerhafter Natur waren, hat man die Zielgruppe durch den Umbau zu einem Hotel, einer Ausstellung und einem Café mit Aussichtsterrasse erweitert und den Rest als anmietbare Büroflächen ausgewiesen. Direkt auf der Fensterfront, in Arial bold 480.
Dinieren wie im Mittelalter
Für heute Abend geht es ins U Sádlů, eines im mittelalterlichen Stil nachempfundenen Restaurants in der nördlichen Ecke der Prager Innenstadt. Rechtzeitiges reservieren ist Pflicht. Mit der Straßenbahn geht es bis zum Platz der Republik, von dort aus dann die letzten Meter zu Fuß. Reine Transferzeit vom Hotel sind 30 Minuten. Daran sieht man schon, dass in Prag das meiste wirklich um die Ecke liegt. Der schlichte Eingang täuscht. Das eigentliche Restaurant ist in einem nachempfundenen Gewölbe tief unter den Straßen Prags zu finden und wird über eine Steintreppe erreicht. Die Einrichtung ist stilecht, das Essen ist fantastisch, die Preise mehr als fair.
Wem es unter der Erde nicht so gut gefällt, der kann mit dem Aufzug auf 63 Meter fahren. Allerdings nicht hier, sondern im Oblaca, dem Sterne Restaurant des Prager Fernsehturms. Bei guter Sicht hat man einen großartigen Ausblick auf die ganze Stadt und natürlich auch auf das exzessiv befeuerte Prager Burgviertel. Das Oblaca ist auch nicht irgendein Restaurant, sondern eine der besten Adressen in Tschechien unter der Führung des bekannten Koches Thomas Lachman. Wer Turbine fliegt, der zieht sein Flugzeug die letzten Meter zum Hangar einfach mit der Hand und hat damit die Kosten für das Abendessen schon wieder kompensiert. Alle anderen sollten nach den immer wieder mal angebotenen Menüangeboten Ausschau halten, mit denen sich der Abend dann noch im zweistelligen Bereich bewegt. Pro Person natürlich.
Prag lebt
Der Weg vom U Sádlů zurück führt uns direkt durch die Fußgängerzone in Richtung Wenzelsplatz. An buntem Licht wird nirgends gespart, es ist eine helle Freude für das Auge.
Selbst zu dieser nächtlichen Zeit haben noch einige Geschäfte geöffnet. Leider ist Captain Candy auch noch auf der Brücke und hat unsere Tochter erspäht, die aus der internationalen Süßigkeiten Kette nur mit äußerster Anstrengung wieder herauszubekommen ist.
Schade um Oscar
Knappe 20 Minuten vor dem operativen Sunset unserer auf den Namen „Oscar“ hörenden Hotelbar sind wir wieder zurück. Leider hat man hier aber schon den Betrieb frühzeitig heruntergefahren, da außer uns so gut wie keine Gäste den abendlichen Umsatz ankurbeln wollten. Ich schreibe ein kurzes NOTAM in Google zum Thema Servicequalität und klammere Oscar für zukünftige Absacker Aktivitäten aus. An sich schade, die Bar war früher richtig gut und eben in Zimmernähe. Auf der anderen Seite kommt unsere Tochter jetzt auch langsam in ein Alter, bei dem wir froh sein müssen, wenn sie zumindest noch mit uns gemeinsam Abendessen geht.
Heimwärts
Aufgrund der bisher zu kurz gekommenen Hausaufgaben unserer Tochter müssen wir den Rückflug auf den frühen Sonntagnachmittag verlegen. Sabine übernimmt den Rückflug und lässt den Flugplan vom Hinflug kurzerhand über die DFS umdrehen. Ein großartiges Beispiel für Nachhaltigkeit in der Luftfahrt, gebrauchte Flugpläne einfach weiterzuverwenden. Allerdings kann das auch nach hinten losgehen. Denn am Ende muss der Flugplan am Startflugplatz vorliegen, sonst kommt man da nicht weg. Wer gerne wissen möchte, wann man hier einen Flugplan braucht, wirft einen Blick in die ENR 1.10 Section der tschechischen AIP. Wer es mit dem Werfen nicht so hat, macht ihn einfach immer. Die aktuellen NOTAMs liefert die Telegramm App mit einem sanften vibrieren in die Handfläche, in der mein Smartphone auf die archaisch per Mail verschickten Flugplan Folgemeldungen der DFS wartet.
Für den Check-In über das Terminal 1 sind heute keine besonderen Wartezeiten zu erwarten. Die Kaffeemaschine ist stets einsatzbereit, Getränke sind verfügbar und es gibt stapelweise Lektüren in der falschen Sprache. Ein angenehmer Aufenthaltsort, wenn es draußen ungemütlich wird und die Crew sich mit dem Außencheck Zeit lässt.
Departure
Mit dem Towerlotsen stimmt Sabine noch die Abflugstrecke ab. Leider ist heute die 05 in Betrieb, was in der Regel einen Abflug weiter nach Osten über MIKE und damit lockere 23 Meilen Umweg bedeutet. Die Koordination ist hier etwas aufwändiger, weil alle uns umgebenden Lufträume es im Alphabet leider nicht weiter als bis zum Buchstaben D gebracht haben und daher jeder Abflug im Vorfeld telefonisch mit den angrenzenden Sektoren koordiniert werden muss. In der Praxis ist das aber alles kein Thema, sowohl Militär als auch zivile Flugsicherung arbeiten kundenorientiert zusammen. Sabine bekommt ihren kurzen Abflug über die Stadt und wir weitere 20 Minuten Wartezeit aufgebrummt. Es ist eine Menge los am Platz. Beide Bahnen sind in Betrieb, die Schlange am nicht vorhandenen Rollhalt wird immer länger. Für den Start gönnen wir uns wieder die 05L, auf der die D-EBIF mühelos beschleunigt. Noch vor dem Lesen der After Take Off Checklist wird der Flieger „the long way round“ von Sabine direkt in Richtung ROMEO gedreht, um nicht den abfliegenden Verkehr der 05R zu kreuzen. Noch ein kurzes Intermezzo auf Prag Approach, weil gerade ein Airliner eine TCAS Advisory (als keine Resolution) bekommen hatte und der Lotse uns diesbezüglich lieber gemeinsam auf einer Frequenz haben wollte. Bei einer so hohen Verkehrsdichte passiert das schon mal, dass unser Trendvektor bei einem kurzen aber nachhaltig gesteuerten Steigflug die Software nervös machen kann. Nach einer Minute wechseln wir auf Kbely und folgen der Autobahn, bis wir am nicht zu übersehenden Autobahnknoten wieder die TMA verlassen haben. Kbely übergibt uns an Prag Information und Rudi wird sogleich angeboten, den Steigflug in den Charlie Airspace fortzusetzen. Nachdem das aber vom Wind eher nachteilig ist, bleiben wir so lange unten, wie es geht. Für einen entspannten Abflug ist eigentlich nichts weiter zu tun, als sich die möglichen Frequenzen schon mal auf sein (digitales) Kniebrett zu schreiben und die Aufgaben untereinander zu verteilen. Sabine steuert den Flieger die nächsten langweiligen 80 Meilen mit der Hand geradeaus, um die Servos des Autopiloten zu schonen. Auch wenn es noch eine halbe Stunde dauert, wird, werden die nächsten Frequenzen gerastet und die weitere Strecke gebriefed. Stay ahead of your aircraft. Nach der Landung in Schleißheim wird in der kalten Nachmittagssonne noch der Flugplan geschlossen und unsere Tochter mit einem Direct zu ihrem Vokabeltraining geschickt.
Alternativen
Wer nach Prag will, hat unterm Strich drei brauchbare Optionen. Ruzyne (LKPR) ist der große Platz. Ideal, wenn man zu später Stunde kommt oder einfach mal Big Business erleben will. Hier fliegen Flugzeuge, die woanders schon lange aus Lärmschutzgründen in der Presse gelandet sind. Ruzyne ist nicht günstig, bietet aber eine Flatrate für Flieger bis zu 2 Tonnen und einen Gebührenrechner im Internet an. Wer den zeitlichen Luxus hat, unter der Woche zu reisen, findet in Vodochody (LKVO) eine deutlich preiswerte Alternative und eine 2.500 Meter lange Asphaltbahn. Vodochody hat leider nur den Nachteil, dass der Flugplatz zum Luft- und Raumfahrtunternehmen Aero Vodochody gehört. Nachdem hier am Wochenende keiner arbeitet, hat auch der Platz geschlossen. Die dritte Möglichkeit ist eben Letnany. Denn wo findet man heute noch einen innerstädtischen Flugplatz mit zwei Landebahnen und U-Bahn Anschluss? Eben.