Fliegerlager Neresheim 2014

Drei Piloten berichten von Ihren Erlebnissen in Neresheim:

100 km bis zum PPL C

„50 bist Du ja schon mal geflogen – das Wetter ist gut wir machen 100“. Andi ist zuversichtlich was die Wetterprognose für den nächsten Tag angeht und genauso viel Vertrauen scheint er in meine fliegerischen Fähigkeiten zu haben.

Die vorangegangenen Tage auf der schwäbischen Alb waren voller neuer Eindrücke und großer Schritte auf dem Weg zum Segelflugschein. Überlandflugeinweisung mit über 100 km auf der KA 7, Erstflug auf dem Mistral und Außenlandeübung auf dem Falken vom Ikarus. Obwohl ich vor 4 Jahren schon kurz vor dem Abschluss der Ausbildung stand sind die Eindrücke doch wieder überwältigend.

Der Abschluss des Fluglagers in Neresheim soll für mich also der 50 km Überlandflug werden, der hier aufgrund der fehlenden Beschränkungszonen und der thermischen Bedingungen wesentlich einfacher zu fliegen ist als bei uns in Schleißheim. 50 km sind Andi dann aber doch zu einfach,  außerdem will er selber die ASW-19 bewegen und so soll das Ganze ein Teamflug werden – noch eine weitere Herausforderung.

Der Flugtag beginnt langsam und das Wetter lässt sich Zeit. Die Prognose entspricht nicht ganz dem, was wir am Himmel sehen aber Andi bleibt positiv - „Das geht auf jeden Fall“. Kurz nach Mittag geht es dann los und Andi lässt sich in der ASW-19 als erster von der D-KGAJ schleppen. Jetzt werde ich langsam nervös. Als Stephan das Schleppseil abwirft und wir den Mistral in die Bahn ziehen steigt die Spannung weiter an. Ein wenig hektisch lasse ich mich in das Cockpit absinken und vergurte mich. Dann zwinge ich mich zur Ruhe – in den letzten Tagen habe ich von einigen Flugunfällen gehört und noch am Vortag hatte Stephan über „Verhalten in besonderen Fällen“ referiert. Die Checkliste wird nach Standard in Ruhe abgearbeitet und als die Haube geschlossen und verriegelt ist geht es auch schon los.

Nach kurzer Rollstrecke kann ich den Mistral vom Boden lösen und schwebe der AJ hinterher. Ich vergesse die Nervosität und konzentriere mich auf den Schlepp. Die Luft ist unruhig und ich habe alle Hände voll zu tun den Mistral hinter der Schleppmaschine zu halten und Stephan nicht das Leben schwer zu machen. Ich spüre die starke Thermik, zögere aber mit dem ausklinken. Erst bei 1300m MSL ziehe ich am gelben Ball und drehe rechts weg. Der Bart ist gut und ich schraube mich in den Himmel. Bei 1800 m lässt das Steigen nach und ich melde mich bei Andi. Der Logger hat den Startpunkt erkannt und die ASW-19 geht ca.50 m über mir auf nördlichen Kurs Richtung Bopfingen.

Kurz vor unseren ersten Wendepunkt, Trochtelfingen Bahnhof, nehmen wir wieder einen Bart und schrauben uns wieder an die Basis. Zu uns gesellt sich allerhand „High-tech“ – auf der Alb ist viel Verkehr. Das Flarm ist zwar eine große Hilfe, ersetzt aber nicht den Blick aus dem Cockpit, da nicht jeder der anderen Flieger eins an Bord hat. Auch Drachenflieger und Paraglider sind unterwegs und fliegen mit den „großen“ Maschinen im gleichen Bart. Mein Kopf wandert von einer Seite auf die andere um die Flieger im Auge zu behalten – am Abend wird sich dies in einem schmerzenden Nacken widerspiegeln.

Nach Bopfingen geht es auf westlichen Kurs Richtung Heubach. Kurz vor Aalen nehmen wir noch einen Bart um die Stadt in 1900 m zu überfliegen. Über dem Wendepunkt von Heubach finden wir wieder Steigen und bereiten uns auf unseren größten Schenkel in südöstlicher Richtung nach Setzingen vor. Die ASW19 taucht vor mir ab und wir fliegen mit 120-130 km/h vor bis wir bei Gerstetten den besten Bart des Tages finden. 5 m im ganzen Kreis und schnell sind wir wieder an der Basis und fliegen in Richtung unseres letzten Wendepunktes, Setzingen Kirche.

Kurz vor Setzingen zuckt es wieder unter dem Flügel  – wir sind mittlerweile auf 1700 m abgesunken und der Logger gibt mir zu wenig Höhe für eine sichere Landung in Neresheim an. Ich sehe Setzingen vor mir und das blaue L och in dem sich der Wendepunkt befindet – ich brauche Höhe, schaffe es aber nicht den Bart zu zentrieren. Ich sinke mehr als das ich steige und verliere langsam aber sicher Höhe. Mittlerweile bin ich auf 1600 m und kann mich gerade so halten. Die ASW19 sehe ich hunderte Meter über mir. Nach zähen Minuten geht Andi auf nördlichen Kurs Richtung Neresheim – der Wendepunkt ist verloren.

Querab von Gerstetten finden wir wieder einen Bart der mich zurück auf 2000 m bringt und damit den Heimflug sichert. Mit Neresheim vor der Nase verabschiedet Andi sich im Funk und lässt mich noch Stunden sammeln – erst jetzt fällt die Spannung von mir ab und ich kann das fliegen genießen. Ich verweile noch ein wenig in der Luft und versuche unseren neuen Einsitzer in aller Ruhe besser kennen zu lernen, bevor ich langsam Höhe abbaue und mich auf die Landung vorbereite.

Die Landung klappt nach über 3 Stunden in der Luft auch noch ganz gut, obwohl etwas zu hoch und schnell.

Fazit des ersten Überlandfluges: 100 km und 3 Stunden Flug sind etwas ganz anderes als die Platzrunden in Schleißheim und machen definitiv Lust auf mehr!

Ein Bericht von Patrick Gantino

Mit der Ka7 über der schwäbischen Alb

  • Location: Flugplatz Neresheim und Umgebung
  • Zeit: 0800 UTC
  • Aufgabe: 106,7km FAI Dreieck, angemeldet

Ich sitze am Steuer unserer Ka7. Andi, unser Fluglehrer hinter mir. Startcheck abgeschlossen, das Schleppseil wird eingehängt. Daumen hoch, volle Konzentration. Das ist mein 4. F-Schlepp und der letzte lief soweit schon sehr gut. Dennoch ist mir die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Der Schleppfalke startet und man merkt, er tut sich schwer mit der fliegenden Schrankwand hinten dran - aber es hat sich gelohnt, es war ein recht kurzer Schlepp und nach dem Ausklinken sofort rein in die Thermik. Die Anspannung lässt nach und meine Knöchel bekommen auch wieder etwas Farbe.

Wir kurbeln uns hoch auf unsere Arbeitshöhe. Es geht sehr gut. 4m/s sind keine Seltenheit. Der Boden wird immer kleiner und Andi teilt sein Wissen mit mir…“aufrichten, Bart zentrieren und wieder rein“… „nicht rasen, wir sind nur in ner Ka7, da reichen 80“… und der Faden soll ja auch noch in der Mitte bleiben. Puh, ganz schön viel auf einmal...

So, geschafft -  knapp 2000m MSL. Los geht‘s Richtung Bopfingen entlang der Wolkenstraßen. Bis dahin haben wir kaum Höhe verloren. Selbst im Vorflug haben wir gutes Steigen. Guter Dinge schlagen wir den Kurs gen Westen ein. Unser nächster Wendepunkt, Heubach. Nach knapp einer Stunde übernimmt Andi den Knüppel und ich kann mich zum ersten Mal der wunderschönen Landschaft widmen und den Wolkenstraßen, welche zum greifen nah sind. Das Steigen hört nicht auf und schnell sind die 2200m MSL geknackt. Checkpoint Heubach erreicht, der Logger sagt piep und gibt uns das nächste Ziel an: Setzingen.

Verwöhnt durch die sehr gute Thermik werden wir etwas übermütig. „1m… nehmen wir den?“… „nee wir nehmen die nächste Wolke, da geht mehr heut“… gesagt getan. Leider ist diese Wolke weiter weg als gedacht und dort angekommen ist unsere Ausgangshöhe rapide geschrumpft. „Gleich, gleich, gleich… die zieht nicht… Mist“. Die Wolke hat ihre beste Zeit hinter sich und der Boden kommt näher. Die Gegend war wohl schon länger abgeschattet.

Wir befinden uns ganz in Plätznähe von Bartholomä, das beruhigt etwas. Die Frequenz ist schon reingedreht. Andi lässt seine Erfahrung spielen und kitzelt ab und an mal einen Nuller raus oder auch kurzweilige 0,5m Bärte. Dann ein Lichtblick, im wahrsten Sinne. Sonneneinfall auf einen Steinbruch. Das muss jetzt klappen sonst sitzen wir. Gute 50m über Positionshöhe rupft es… ja da geht was. Halber Meter…. nicht viel aber konstant. 1….2…. der Höhenmesser zeigt nach und nach immer beruhigerende Werte an.

Und zack, sind wir wieder auf sehr guter Arbeitshöhe. Es kann weitergehen. Wir fliegen weiter zu unserem letzten Wendepunkt und drehen anschließend auf den letzten Schenkel Richtung Heimatflugplatz ein – Nordwest und Stoff (Wenn man das bei der Ka7 so nennen kann): 120km/h IAS. Groundspeed von 90 -  Ganz schöner Gegenwind. Wieder gibt es sachdienliche Hinweise von Andi was den Thermikflug angeht.

Aber unter uns, nach gut 2,5h Flug und etlichen neuen Eindrücken ist es nicht mehr ganz so einfach alles aufzunehmen. Kreisen, zentrieren, optimieren, Faden und der Luftraum muss ja auch noch beobachtet werden. Und wer wieder heimkommen will, sollte auch ungefähr wissen wo er sich gerade befindet. Alles nicht so trivial wie es sich anhört. Schlussendlich haben wir Neresheim mit  stattlicher Höhe in Sicht.

Wir könnten damit noch viel Unfug anrichten und noch weiterfliegen. Aber der Hintern schmerzt und aufs Klo müssen wir auch. Andi übernimmt noch einmal kurz den Knüppel und meldet einen „Überflug“ am Platz an. Mit gefühlten 250km/h „donnern“ wir mit dem Oldtimer über den Platz. In Wirklichkeit sind es in etwa 150… schnell genug für einen solchen Oldi möchte ich meinen. Zu guter Letzt überlässt mir Andi nach der Abfangkurve wieder den Vogel und ich „darf“ aus ungewohnter Position Anfliegen und Landen.

Geschafft! Die 100km sollten auf jeden Fall geknackt sein und nach dem Auslesen des Loggers stellen sich sogar fast 150km heraus. Nicht schlecht für unseren „Kastendrachen“, wie er neckisch von den Fliegerkollegen genannt wird. Aber das leicht neidische Funkeln in den Augen beim Anblick des Vogels können sie nicht ganz verbergen.

Alles in Allem war das bis dato mein längster, höchster und spannendster Flug mit einem Segelflugzeug. Sehr viele persönliche Rekorde purzelten auf einmal. Andi, vielen Dank für diese tolle Möglichkeit!

Ein Bericht von Stefan Putz

Mit dem Mistral C unterwegs!

Unser Verein hat ein neues Segelflugzeug angeschafft: Einen Valentin Mistral C.

Wir sind im Fliegerlager in Neresheim. Nach dem allmorgentlichen Briefing bauen wir den Kunststoff-Einsitzer gemeinsam auf: Andreas, Patrick, Stefan, Denis und ich holen Flächen, Rumpf und Höhenleitwerk aus dem Hänger, bauen das Flugzeug auf, schließen die Ruder an, stecken Sicherungs-Stifte und prüfen den ordnungsgemäßen Zustand. Nach 30 Minuten sind wir fertig - fürs erste Mal keine schlechte Aufbauzeit.

Andreas ist unser Fluglehrer. Sicherheitshalber machen wir noch einen gemeinsamen F-Schlepp Start in der Ka 7, danach hänge ich im Mistral hinter dem Ikarus Schleppfalken, ganz gespannt auf die ersten Eindrücke.

Stephan, der Schlepp-Pilot, gibt Gas. Mit wenigen Querruderausschlägen ist der Mistral stabilisiert, hebt ab und ich schwebe in einem halben Meter Höhe hinter dem Falken her bis wir mit 110 km/h in den Steigflug übergehen. In 500m über Platz bin ich in der Thermik und beende den Schlepp. Und merke auf einmal, wie schön leise der Mistral fliegt!

Als es im Allerwertesten spürbar hebt und die beiden Variometer-Zeiger nach oben ausschlagen, kreise ich ein: Thermikkreisen geht mit dem Flieger sehr leicht. Ich bin allein im Bart und da klappt das Kreisen mit Geschwindigkeiten etwas über der des geringsten Sinkens hervorragend. Die Ruder sind gut abgestimmt!

Wichtiger als das Zentrieren der Thermik ist aber die Beobachtung des Luftraums. Vorteilhaft hierfür ist die große Haube des Mistral C. Ich kann hier etwas zum ersten Mal in einem Einsitzer tun: meinen Kopf in den Nacken legen und schauen, wer gegebenenfalls im Bart direkt über mir fliegt.

Wolkenstraßen stehen am Himmel in 1800m – 2000m über Grund, unterbrochen durch blaue Löcher. Ich beginne, die Umgebung von Neresheim zu erkunden und dabei ist das  Kloster Neresheim, das markant und erhöht über der Ortschaft Neresheim auf dem Ulrichsberg thront, das wichtigste Geländemerkmal am Fliegerlagerplatz Neresheim und wie mir erzählt wurde auch sehr oft beliebter Wendepunkt bei Wettbewerben. Vom Platz fliege ich zunächst in Richtung Flugplatz Aalen/Elchingen, orientiere mich dann an den Windrädern nordöstlich davon und fliege dann nördlich in Richtung Bopfingen.

Der Flugplatz Bopfingen liegt unter mir und unter meiner rechten Fläche liegt nun Nördlingen, welches mir sofort an seinem runden Stadtkern auffällt. Ich liebe die Koppelnavigation und habe Freude daran, ICAO Karte und Wirklichkeit immer wieder aufs Neue zusammenzubringen. Nun habe ich als Orientierung die 3 Merkmale Kloster Neresheim – Flugplatz Bopfingen und Stadtkern Nördlingen. Laut der Karte steht im Wald südlich Nördlingen ein Funkturm – da hinten ist er! Merkmal Nr. 4! Ich nutze die Thermik, die heute überall mit gut 2-3 m/s geht und gewinne Höhe, bevor ich in Richtung Funkturm vorfliege.

Und dann ist da dieser Bach rechts querab in der rauen Wanne wie die Leute von der Alb das Tal zw. Neresheim und Harburg nennen. Der Bach verläuft südlich des Funkturms von Westen nach Osten durch die Ortschaft Diemantstein und fließt bei Donauwörth in die Donau. Ich bin westlich von Diemantstein und versuche, den Bach in Richtung Neresheim zu verfolgen. Er ist schmal und nur wenig säumender Bewuchs läßt ihn erahnen. Eine kleine Wegbrücke hier und ein schlängelnder Verlauf dort verraten ihn.

Glücklich kehre ich nach Neresheim zurück – im Schnellflug mit 160 – 170 km/h, da ich von der Bachverfolgung noch sehr hoch. Zweimal kreise dabei ich großräumig um das Kloster, das heute von Benediktinern bewirtschaftet wird und dessen Abteikirche von Balthasar Neumann weltberühmt ist. Ein Blick nochmal in den schönen Klostergarten, dann geht’s Richtung Platzrunde.

Im Gegenanflug fahre ich die Bremsklappen aus, denn ich bin vor der Position immer noch zu hoch. Dann mit 200m über Platzhöhe melde ich Position, stelle die Anfluggeschwindigkeit (100 km/h) her und lande auf der Piste 08.

Erde, Du hast mich glücklich wieder – dank dem Mistral C, dank meinem Verein, dem Aeroclub München und Andreas unserem Fluglehrer, der gemeinsam mit anderen Flugzeug und Hänger erworben und hergerichtet hat.

Ein Bericht von Matthias Kaufmann

Anmerkung: Der Flug ist im Onlinecontest gewertet!