Korsika Teil 1 – Der Weg ist das Ziel
Bei allen Aktivitäten, die etwas mit der Natur zu tun haben muss man flexibel sein. Das ist beim Surfen so, wenn der Wind ausbleibt und man halt technisch aufgeriggt am Strand hockt. Das ist beim Motorradfahren so, wenn man bei schönstem Wetter losfährt und im Regen endet. Nun ja, beim Fliegen muss man schon vorher flexibel sein. Der Weg ist das Ziel.
Zunächst hatte ich meine Fliegerkameraden mit Korsika gelockt. Ich musste nicht all zulange warten und wir waren zu dritt. Karten besorgt, alle digitalen Systeme aktualisiert und die Route festgelegt. Die Route sollte uns mit einem Übernachtungsstopp in Venedig nach Korsika bringen. Nun hieß es das Wetter zu beobachten. Leider stellte sich das von mir gewünschte permanente Hochdrucksystem, das über gesamt Europa sämtliche Wolken aufgelöst hätte, nicht ein. Aber zunächst sah das Flugfenster gar nicht so schlecht aus.
Nur als es dann so 3 Tage vor dem geplanten Abflugtermin war, wurde für ein Sichtflug über die Alpen das Wetter zu schlecht. Ich bin nun zwar schon oft über die Alpen geflogen, jedoch war meistens schönes und stabiles Wetter und das was aktuell vorhergesagt wurde hatte mich nicht für einen Alpensprung begeistert. Also rief ich Angie und Thomas an und fragte: “wie flexibel seid Ihr denn? In den Süden klappt’s wettertechnisch nicht, wie wäre es mit dem Norden?“ Ich ließ sie mit einem „Ich such was raus“, erstmal alleine. Während ich mir Gedanken machte wohin, kam schon die Info: „kein Problem, wir sind flexibel“. Das motivierte. Nach Schweden wie vor 2 Jahren war es zu weit. Ich fuhr mit meinem Finger einfach nach Norden und blieb auf einem kleinen Fleck im Wasser kurz vor Schweden hängen: Bornholm/Rønne (EKRN). Bornholm ist eine dänische Insel kurz vor Schweden und ich fand, dass das ein lohnendes Ziel wäre. Denn ich war noch nie dort und hatte bis dahin noch nichts von Bornholm gehört. Also, kurze Info an meine Mitflieger und neue Route geplant. Sie war ein wenig länger aber noch gut mit einer Tankfüllung erreichbar. Dann die nächsten Tage wieder den Wetterbericht gecheckt. Die Alpenentscheidung war gut, denn es war viel Regen und Gewitter vorhergesagt. Und? Was ist mit dem Norden? Jetzt steht man da und checkt die ganzen verfügbaren Wettertools und spielt Wetterfrosch. Ich sah, dass eine starke Front vom Westen nach Deutschland drückte. Auf der Vorderseite war das Wetter bis Schweden perfekt. Danach nicht mehr so. Dann am Tag vor dem Abflug schien es mir: kann ja nicht wahr sein. Das was ich lese und interpretiere könnte in den Mittelgebirgen zu Problemen führen, da aufliegende Bewölkung vorhergesagt war. Also gut Ich bin ja flexibel, ich blase das Vorhaben ab, denn wir mussten ja auch noch zurückkommen. Wenn wir über mehrere Zwischenstopps in den Norden fliegen geht uns die Zeit aus. Also Anruf, sorry, wegen Wetter abgeblasen. Kein Problem, wir sind flexibel.
Dann, am nächsten Morgen denke ich, das kann doch nicht wahr sein. Genialster Himmel CAVOK bis Schweden und am ganzen Vormittag. Die Front hatte sich verlangsamt, aber sie kam. Dann kurzer Anruf: „Seid ihr schon wach, wie flexibel seid Ihr? Wollen wir doch fliegen, Wetter passt!!“. Antwort: „Ja klar, wir treffen uns in 40 min am Flugplatz“. Dumm nur, dass ich gestern den Flugplan nicht fertig gemacht hatte. Das rächte sich und ich musste ihn noch kurz in das System der DFS eintippen. Die Route hatte ich ja schon soweit vorbereitet also ging es einigermaßen flott:
VFR DCT SIGGI DCT VEXIL DCT OLBIK DCT ANEBO DCT POKEN DCT -EKRN0320 ESMS
Am Flugplatz angekommen, haben wir unseren Vereinsflieger PA28R-200 vollgetankt, beladen und gecheckt sowie unsere Schwimmwesten angelegt. Inklusive Einweisung wie man sie bedient. Mitten im Süden von Bayern sah das schon urkomisch aus. Dann nichts wie rein und los.
Von oben sah man dann auch schon die Front aus dem Westen kommen. Aber auf unserer Route genialstes CAVOK Wetter. Meine Mitflieger sahen Ihre Heimat zum ersten Mal von oben. Und so hatte ich beste Navigationsunterstützung und kulturelles Sightseeing. Das hat schon was wenn man seinen persönlichen Führer dabei hat.
Die Flugsicherung hatte zumindest in Bayern wieder mal viel zu tun. Aber alles verlief reibungslos. Die Übergabe an das tschechische Radar, dann zurück nach Bremen Information wie auch dann später nach Gdansk Information. Wir bekamen die Durchflüge durch die Kontrollzonen wie wir sie brauchten. Bremen Information fragte ob wir bei ihm bleiben wollen, er hätte aber schon mit den polnischen Kollegen gesprochen und der Durchflug durch die militärischen Fluggebiete würde genehmigt. Freudig nahm ich den Wechsel zu Gdansk Information an. „Gdansk Information D-EBIF. D-EBIF we have your details, approved to cross military zone in FL85, next report POKEN”.
Ab Heringsdorf ging es dann raus auf die Ostsee. Wie schon auf meinem Flug nach Schweden ist es schon ein geniales und etwas mulmiges Gefühl wenn man vor sich und hinter sich kein Land mehr sieht. Aber das dauert ja nicht lange und nach ca. 5min hatten wir Bornholm vor uns. Nur waren wir noch auf FL85 und der polnische Kontroller wollte uns noch nicht runter lassen. Erst als wir dann an Rønne Approach weitergegeben wurden konnten wir den Abstieg starten. Das erinnerte mich aber eher an Raumstation Orion: „Rückfall zur Erde“. Rönne Tower hatte nicht viel zu tun. Nur ein Flieger in der Platzrunde und eine IFR Maschine vom dänischen Festland noch weit draußen. Die Piper mit 1200Fuss/min Sinkflug und stabilen 150 Knoten drehte der Propeller im Leerlauf und nach 7 min waren wir kurz vor dem Gegenanflug dann auch auf Platzrundenhöhe. „you are cleared to land runway 11“.
Nach der Landung ging es dann gleich zum Tanken. Genial, der Tankwart sprach ein wenig deutsch. Das half die ersten Infos zur Umgebung zu erhalten. Die Piper konnten wir dann auf einem riesigen schönen Grasplatz parken.
Auf Bornholm war natürlich auch ein Feiertag, eigentlich war die ganze Woche Ferienzeit. Was hatte sich herausgestellt ist nicht so flexibel? Genau, die Stornobedingung bei den Hotelbuchungen. Daher sind wir auf gut Glück angereist und mussten uns nun erstmal ein Hotelzimmer suchen. Also erstmal zur Touristeninformation. Dort stellte sich alsbald raus, dass zumindest in Rønne nix mehr geht. Aber wir sind ja flexibel!!!
Es gehen auch andere Orte auf der Insel. Und siehe da, kaum 1 Stunde später hatten wir dann auch ein Hotel das noch Zimmer hatte. Unsere Taxifahrerin saß in dieser Zeit händereibend in ihrem Taxi und hat mit Freude und tickender Uhr auf uns gewartet. Bemerkenswert war die Frau in der Touristeninformation, die echt allen Touristen Ihre Zeit widmete, auch denen die zum zigsten mal immer noch nicht kapiert haben wie das Busticket zu bestempeln ist. Hut ab!!
Nebenbei hat Sie für uns die Hotels abtelefoniert. Zum Glück war die Insel nicht so groß. Nach 30 Minuten Fahrzeit waren wir in Gudhjem und genehmigten uns erstmal ein kühles Bier. Jetzt war auch die Zeit, sich ein wenig dem Sightseeing Programm zu widmen. Das Dorf war ja nun nicht sehr groß und alles fußläufig erreichbar. Als erstes ist uns aufgefallen, dass die Insel an der Küste sehr schroff ist. Keine Sandstrände allenfalls grobe Kiesstrände.
Es gab auch einen kleinen Hafen mit einem Ausflugsschiff: denn was macht man, wenn man auf einer kleinen Insel ist? Man fährt auf eine noch kleinere Insel. Die Insel Christiansø. Die Insel ist eine Stunde nordwestlich von Bornholm und hat auch bewegte Tage hinter sich. Der dänische König hatte damals auch diverse Kanonen dort errichten lassen, um sich im 17. Jahrhundert gegen Angreifer zur Wehr zu setzen. Leider war die Reichweite der Kanonen zu gering, das Glück dem König aber hold: der Wind trieb die Gegner dann doch in die Nähe der Kanonen und so waren die Dänen doch siegreich.
Auf dem Weg dorthin kann man auf eine noch winzigere Insel blicken auf der sich reichlich Seelöwen heimisch fühlen. Was das allerdings mit dem Schiff machte war viel lustiger, denn kurz nachdem der Kapitän irgendwas auf dänisch gesagt hatte sind alle Passagiere nach links gewandert.
Was auch erheiternd war, dass wir am Abend bevor wir auf die Insel gefahren sind eine merkwürdige Markierung fanden. Wohl damit die Autofahrer nicht die Stufen des Hauses ramponierten, war ein riesiges orange alarmierendes Schild angebracht, das genau auf die Stufen zeigte. Ich dachte mir „das ist aber echt einfach gelöst, ganz ohne Poller und Absperrband oder gar Einbahnregelung“. Als wir aber dann mit dem Ausflugsschiff vom Hafen ablegten, wurde ein ganz anderer Grund für diese Markierung gewahr. Denn es ist eine Navigationshilfe für die enge Einfahrt in den Hafen.
Nach 3 Tagen Bornholm hieß es wieder, den Rückflug zu planen. Am Abend vorher war super dichter Nebel an der Küste und ich befürchtete schon, dass wir es nicht wegschaffen würden. Nach Rücksprache mit dem Wetterdienst war klar: Es wird funktionieren und wir haben auch auf der Strecke relativ gutes Wetter. Wir flogen die selbe Route wieder zurück, sie war auch die kürzeste.
„D-EBIF you are cleared for takeoff runway 11, after takeoff turn right direct POKEN.” Die Wolken waren diesmal tief und kein Wind. Höher als 2500 Fuss ging es nicht. Wir sahen auch 2 Segler die mit Motor Richtung Küste fuhren. Ganz allein waren wir im grauen Etwas also nicht. Aber 2500 Fuss ist nicht viel Puffer. Ab und an sahen wir auch Frachtschiffe. Zur Not könnte es hilfreich sein. Bei 3000 Fuss war aber das Maximum erreicht. Gdansk Information gab uns wieder für den Durchflug durch das Militärgebiet frei. Wieder bei Heringsdorf ging die Anspannung weg, da wir wieder festen Boden unter den Flügeln hatten.
Die PA28R ist ein geniales Reiseflugzeug. Der Motor schnurrte und die Reisegeschwindigkeit mit 130 Knoten bringt einen zügig voran. Nur die Wolken hingen noch tief herum. Und einen Funkkontakt zu Bremen Information hatten wir seit geraumer Zeit auch nicht erhalten. Wir schienen die einzige Maschine in der Luft zu sein. So langsam wäre es doch besser, nach oben zu kommen. Um Berlin mussten wir schon einen Bogen im Osten machen um nicht in die Kontrollzone zu kommen. Und immer noch kein Funkkontakt zu Bremen Information. Dann entschloss ich mich on Top zu fliegen, da wir blauen Himmel entdeckt hatten. Also nichts wie rauf. Und siehe da, auf einmal gab es auch Funkkontakt mit Bremen.
Aber welch eine Überraschung: eine automatische Bandansage, wie beim Anflug auf Magratea (aus Per Anhalter durch die Galaxis). „This is Bremen Information. We are not in service, in case of urgency contact Bremen Radar“…. so oder so ähnlich.
Kurz darauf Bremen Radar eingedreht und mitgehört, da wir eh bald Langen Information rufen werden und wir keinen Notfall sahen. On Top waren die Sichten schier endlos. Bis auf die CB Wolken die am Horizont langsam auftauchten. Wir stiegen von 5000 Fuss auf FL95. Langen Information hat uns an Karlovy Vary Radar weitergegeben. Die CB Wolken wurden immer mächtiger, wir mussten höher rauf und dennoch Slalom fliegen. „Karlov Vary Radar, request climb FL110 with new heading 150 to avoid clouds. D-EBIF, approved to climb on your own discretion, report new altitude and heading“… Na, das ist mal flexibel. Vielen Dank. Cloud Surfing at its best mit keinerlei Turbulenzen. Nur nicht verwirren lassen. Es findet sich immer ein Weg vorbei. Dann waren wir auch schon wieder an den Riesengebirgswolken vorbei und gingen langsam in den Anflug auf München über.
Mit strammen 150 Knoten ging es konstant mit 200 ft/min Sinkrate gen München zu. Die Manchinger Drohnen Spezial Militätzonen waren auch nicht aktiv und so ging es direkt Richtung Maisach.
Das Wetter in Bayern wieder genial. Natürlich waren da auch mehr Flieger unterwegs. Auch Segelflieger. Die sind echt schwer zu erkennen. Vielleicht könnte man, wie bei den Tauchern auch, einen großen Zeppelin (aka Boje) drüber fliegen lassen, der markiert, dass hier Segelflieger kreisen. Aber 6 Augen halfen den Verkehr meistens zu identifizieren um dann auch ausweichen zu können.
Die Landebahn in Sicht konnte auch der Flugplan geschlossen werden. Nach 3:31 min waren wir dann auch wieder an unserem Heimatplatz EDNX gelandet und stiegen mit unseren Schwimmwesten wieder aus.
Was für ein Ausflug!!! Gefühlte 8 Tage Urlaub in praktisch 3 Tage Reise zu verpacken, zeugt von einer gelungenen Reise!
Wir hoffen auf mehr!